NVR-Nummern (seit 2007)

D

as Eisenbahn-Bundesamt führte zum 1. Januar 2007 das Nationale Fahrzeugeinstellungsregister (NVR, auch »National Vehicle Registration«) ein. Auslöser war das »Erste Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (1. AEGÄndG)«, das am 19. Dezember 2006 in Kraft trat. Durch dieses wird folgende Paragraphen in das Gesetz eingefügt:

§ 5 Eisenbahnaufsicht

(1e) Dem Bund obliegen für die Eisenbahnen im übergeordneten Netz, für die Halter von hierauf verkehrenden Eisenbahnfahrzeugen, für die für deren Instandhaltung zuständigen Stellen und für die sonstigen Verantwortlichen im übergeordneten Netz (...) die Führung eines behördlichen Fahrzeugeinstellungsregisters, soweit dieses nach dem Recht der Europäischen Union einzurichten ist;

Der Bund nimmt die Aufgaben (...) durch die für die Eisenbahnaufsicht (...) zuständige Bundesbehörde als Sicherheitsbehörde wahr.

§ 25a Fahrzeugeinstellungsregister

(1) Zweck des Fahrzeugeinstellungsregisters ist es, den in Artikel 14 Abs. 4 der Richtlinie 2001/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. März 2001 über die Interoperabilität des konventionellen Eisenbahnsystems (ABl. EG Nr. L 110 S. 1), die zuletzt durch die Richtlinie 2004/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (ABl. EU Nr. L 164 S. 114, Nr. L 220 S. 40) geändert worden ist, genannten Einrichtungen Informationen über Fahrzeuge, deren Inbetriebnahme genehmigt worden ist, zu ermöglichen. Hierzu gehören insbesondere Angaben zu den Voraussetzungen der Inbetriebnahme und des Betriebs sowie zum jeweiligen Halter.

(2) Das Register kann elektronisch geführt werden. Auskünfte aus dem Register können im Wege des automatisierten Abrufs über das Internet erteilt werden.

(3) Die Eisenbahnaufsichtsbehörden und die Eisenbahngenehmigungsbehörden dürfen der nach § 5 Abs. 1e zuständigen Behörde auch ohne Ersuchen Informationen einschließlich personenbezogener Daten übermitteln, soweit dies für die Führung des Registers erforderlich ist.

Mit diesem Paragraphen setzt der Bund europäische Vorgaben für die Interoperabilität des Eisenbahnverkehrs um. Zweck des Fahrzeugeinstellungsregisters ist es, europaweit Informationen über Fahrzeuge bereitzustellen, deren Inbetriebnahme genehmigt wurde. Dazu ist bei der ERA (Europäische Eisenbahnagentur) ein System eingerichtet worden, welches Anfragen an die jeweiligen nationalen Fahrzeugeinstellungsregister weiterleitet. In Deutschland wird das Fahrzeugeinstellungsregister vom Eisenbahnbundesamt (EBA) geführt, das für jedes Fahrzeug, das grundsätzlich grenzüberschreitend eingesetzt werden könnte, Angaben zum jeweiligen Halter und Eigentümer vorhält. In fast allen weiteren europäischen Staaten ist nahezu zeitgleich ebenfalls ein solches Register eingeführt worden. Von dieser Regelung ausgenommen sind alle Fahrzeuge, die ausschließlich im Binnenverkehr zum Einsatz kommen können, also zum Beispiel Schmalspurfahrzeuge oder Stromschienenfahrzeuge der Hamburger und Berliner S-Bahn. In der Praxis ist es aber so, dass bei der DB auch viele dieser Fahrzeuge in den Folgejahren eine NVR-Nummer erhielten, damit man eine einheitliche EDV-Basis hatte.

Die NVR-Nummern sind elfstellige Nummern zuzüglich der bekannten (und durch den Bindestrich getrennten) Selbstkontrollziffer. In Deutschland wird nach der Nummer ein D aufgeführt und danach durch ein (wiederum durch Bindestrich getrenntes) Kürzel des Fahrzeughalters (nicht zwangsläufig des Eigentümers!). Das System ist eine Fortführung des bereits seit den 1960er-Jahren verwendeten Nummernsystems für Reise- und Güterwagen. Das sieht dann in etwa so aus wie bei diesem Beispiel:

NVR-Nummer

Die erste (zweistellige) Nummerngruppe schlüsselt die Fahrzeugart auf. Ganz grob wird hier folgendermaßen vorgegangen:

NummerngruppeFahrzeugartUntergruppen (sofern für diese Web-Seite relevant)
00-49 Güterwagen  
50-79 Personenwagen  
80-89 Güterwagen  
90-99 Triebfahrzeuge, Sonderfahrzeuge 90 - Akkumulator- und Brennstoffzellenzüge
93 - Hochgeschwindigkeitszüge
94 - Elektrische Triebwagen
95 - Verbrennungstriebwagen
96 - für Beiwagen vorgesehen, in Deutschland bislang noch nicht verwendet
99 - Sonderbauarten, Dienstfahrzeuge

Die zweite (zweistellige) Nummerngruppe schlüsselt das Land auf, in dem das Fahrzeug zugelassen ist. Deutschland hat die Nummer »80« zugeteilt bekommen (Beispiele: Österreich: 81, Niederlande: 84, Schweiz: 85 usw.).

Die dritte vierstellige Nummerngruppe ist gewissermaßen die Baureihenbezeichnung, wobei das EBA anfangs bemüht war, das bislang dreistellige Baureihensystem der DB mit den hinteren drei Stellen zu übernehmen.

Die vierte dreistellige Nummerngruppe ist die laufende Ordnungsnummer. Hier folgt die Kennzeichnung weitgehend den bisherigen Regeln bei der DB, nach der grudsätzlich ab der Ordnungsnummer 001 aufwärts gezählt wird. Bei Bauartunterschieden oder anderen Gründen (verschiedene Baulose, Betreiber, Ausstattungsdetails etc.) werden gelegentlich auch eigene Nummernblöcke vergeben, zum Beispiel Nummern ab 101.

Die Selbstkontrollziffer hinter dem Bindestrich dient dazu, manuelle Falscheingaben sofort zu erkennen (Luhn-Algorithmus). Die »Kontrollziffer«, auch Prüfziffer genannt, ist auch hier Bestandteil der neuen Nummern.

Die Abkürzung des Fahrzeughalters, auch Fahrzeughalterkennzeichnung oder Haltercode genannt, ist europaweit einheitlich im Vehicle Keeper Marking Register (VKM Register) festgelegt und wird regelmäßig aktualisiert. Der Fahrzeughalter ist nicht zwangsläufig auch der Fahrzeugeigentümer.

Die Umsetzung

In Deutschland war die Vergabe der NVR-Nummern ein langwieriger Prozess, der sich von 2007 in etwa bis 2014 hinzog. Offenbar hatte man beim EBA lange Zeit keine rechte Übersicht, welche Fahrzeuge hierzulande auf den Gleisen unterwegs sind und ging erst einmal den leichtesten Weg, sich beim Aufbau des Nummernsystems an die bekannten DB-Nummen zu halten. Bezogen auf die Triebwagen, war das bei den elektrischen Triebwagen der Fahrzeugart 94 am einfachsten: Die DB-Nummern wurde um die Zusätze »94 80 0xxx xxx-x D-DB« erweitert - fertig! Ähnlich war es bei den schnellfahrenden Triebzügen der Gruppe 93, wo allerdings der Baureihenbezeichnung eine »5« (in der NVR-Nummer an 5. Stelle) vorangestellt werden musste, damit die Selbstkontrollziffer unverändert bleiben konnte.

Das klappte bei den Dieseltriebwagen aber nicht mehr, denn hier hätte an dieser Position eine »9« erscheinen müssen - doch die ist laut der internationalen Regularien speziell für Bahndienstfahrzeuge vorgesehen (woran man sich später aber scheinbar nicht mehr hielt). Also wurde den DB-Dieseltriebwagen ein »95 80 0« vorangestellt, mit dem Ergebnis, dass sich nun die Selbstkontrollziffer gegenüber der alten DB-Nummer um einen Wert änderte. Das dürfte hinter den Kulissen für einiges an Zähneknirschen gesorgt haben.

Da an den Stirnfronten vieler Baureihen die bisherigen »kurzen« Nummern angebracht blieben, stimmte dort bei den Dieseltriebwagen die Selbstkontrollziffer nicht mehr. In den meisten Fällen wurde diese Ziffer daher entfernt, so dass nur noch die Baureihen- und Ordnungsnummer auf den Fronten zu finden sind. Es gibt aber auch Ausnahmen, bei denen die Werkstätten die neue Kontrollziffer der NVR-Nummer an den Fronten angebracht haben, oder sogar die alten behielten. Im Triebwagenarchiv haben wir einige Jahre überlegt, wie wir am besten verfahren. Nun haben wir uns im Sinne einer einheitlichen Handhabung entschlossen, zum Zeitpunkt der Vergabe der NVR-Nummer auch die alte »Frontnummer« ohne Selbstkontrollziffer anzugeben.

Nachdem der gut katalogisierbare DB-Fahrzeugpark zumindest auf dem Papier schnell mit den neuen NVR-Nummern versehen werden konnte, stand das EBA aber vor der Herausforderung, sowohl für den sehr diversen Fuhrpark der nichtbundeseigenen Eisenbahnunternehmen als auch für die zukünftigen Fahrzeugtypen passende Nummern zu vergeben. Und gerade um 2008 herum standen von drei Herstellern neue Fahrzeugfamilien in den Startlöchern (»Flirt« von Stadler Pankow, »Talent 2« von Bombardier, »Coradia Continental« von Alstom LHB), die nur zum Teil von der DB AG in Auftrag gegeben waren. Da diese Fahrzeuge nach einem bestimmten Baukastensystem von zwei- bis sechsteiligen Einheiten konfiguriert werden konnten, musste das EBA einen Weg finden, diese Unterschiede in der Bezeichnung herauszuarbeiten. Leider konnte man sich da nicht auf eine einheitliche Vorgehensweise festlegen. So wird bei den Flirt-Zügen die Anzahl der Wagen in einer Einheit durch eine unterschiedliche Baureihennummer ausgedrückt (x426, x427, x428, x429, x430), bei den Talent 2 durch verschiedene Hunderterstellen in den Ordnungsnummern (0 für Zweiteiler, 1 für Dreiteiler, 2 für Vierteiler, 3 für Fünfteiler) und beim Conradio Continental durch andere Hunderstellen (0 und 1 für Vierteiler, 2 für Dreiteiler, 3 und 4 für Dreiteiler). Die Untergruppen 440.1 und 440.4 kennzeichnen zudem auch noch die längere Wagenkastenvariante dieses Typs.

Nicht eindeutig geklärt sind auch die NVR-Nummern für historische Fahrzeuge. Für historische Dampfloks wird üblicherweise die Fahrzeugart »90« gewählt (aber dort auch Akkufahrzeuge, Zweikraftfahrzeuge und Brennstoffzellenfahrzeuge), bei historischen Elloks wurde aber auch schon auf bdie »97« ausgewichen. Bei den Dieselfahrzeugen werden historische Fahrzeuge vom EBA zumeist in den Nummerngruppen 95 80 0301, 95 80 0302 und 95 80 0303 angeordnet. Eine Regel, nach welchen Kriterien Fahrzeuge hier eingeordnet werden, ist bislang nicht erkennbar. Ähnliche Beispiele lassen sich auch bei den MAN-Schienenbussen finden, die einerseits als 95 80 0302, andererseits als 95 80 0771 eingereiht werden (scheinbar abhängig davon, ob die Fahrzeuge zeitweilig eine DB-Nummer trugen).

Text: © Malte Werning