ET 170

Um fehlende Fahrzeuge im Wagenpark der Berliner S-Bahn zu ersetzen, die im Zweiten Weltkrieg verloren gingen, begannen in den 1950er-Jahren bei der DR die Vorbereitungen für die Beschaffung eines neuen Triebzuges, der mehrere technische Innovationen in sich vereinigen und der S-Bahn einen Modernisierungsschub geben sollte. Hierzu wurde LEW Hennigsdorf 1955 mit der Projektierung und dem gemeinsamen Bau mit dem VEB Waggonbau in Halle-Ammendorf beauftragt. Der Zug sollte nicht nur für die bislang übliche Betriebsspannung von 750 Volt ausgelegt sein, sondern auch eine geplante Erhöhung auf 1500 Volt kompensieren können. Vorgesehen war anfangs ein dreiteiliger Triebzug, dessen Wagen untereinander mit Jakobsdrehgestellen verbunden sein sollten. Wegen Bedenken der S-Bahn wurde hiervon wieder Abstand genommen und auf das etablierte »Viertelzug-Konzept« gesetzt, mit je einem Triebendwagen und einem angetriebenen Mittelwagen als feste Einheit, verbunden über ein Jakobsdrehgestell. Jeweils zwei dieser Einheiten sollten gemeinsam als vierteiliger Halbzug eingesetzt werden. Als Neuerung konnten der Halbzug dank der Faltenbalg-Übergänge durchgehend begehbar sein.

Geplant war zunächst die Beschaffung zweier Halbzüge, also vier Endtriebwagen und vier Triebmittelwagen. Im März 1959 wurde der erste Halbzug bei der Leipziger Frühjahrsmesse gezeigt, im Herbst des Jahres der zweite Halbzug in Berlin. Die deutlich modernere Formgebung und die ungewöhnliche signalblau-beige Lackierung führten zu der neuen Bezeichnung »Blaues Wunder«. Dieser Name wurde bald auch ironisch verwendet, denn die Inbetriebnahme und Erprobung der Züge war von zahlreichen Pannen und Unzulänglichkeiten begleitet. Die Bremsanlage konnte nicht überzeugen, und auch die Belüftung der Züge machte Probleme. Die elektrische Steuerung musste schließlich von den Vorkriegszügen ET 165 übernommen werden, da die LEW Exportaufträge bevorzugt bedienen musste und keine Kapazitäten für die Entwicklung und den Bau der neuen Zugsteuerung hatte. Die S-Bahn war in betrieblicher Hinsicht über das Jakobsdrehgestell unglücklich, dass schwierig einzugleisen war und zugleich großen Aufwand bedeutete, wenn in der Werkstatt Zugteile getrennt werden mussten.

Die Vielzahl der Mängel ließ sich nicht in Gänze abstellen. Ab April 1962 durften erstmals Fahrgäste in den Zügen befördert werden. Der Halbzug ET 170 001a + ET 170 001b + ET 170 002b + ET 170 002a wurde im Sommer 1963 reparaturbedürftig im Raw Schöneweide abgestellt und diente daraufhin als Ersatzteilspender für die übrigen Fahrzeuge. Der zweite Zug ET 170 003a + ET 170 003b + ET 170 004b + ET 170 004a wurde noch einige Zeit eingesetzt, zuletzt in der purpurrot-grünbraunen Lackierung der Berliner S-Bahn.

Die offizielle Ausmusterung des Ersatzteilspenders fand im März 1969 statt. Zum 1. Juni 1970 wurden die Triebend- und Triebmittelwagen des zweiten Zuges noch EDV-gerecht in die Baureihe 278 umgezeichnet.

a-Endtriebwagen

Gattung B6iütr* Länge über Schaku 19 075 mm Motorbauart
GBM 150/800
Baujahre 1959 Länge Wagenkasten 18 900 mm Leistung 2 x 140 kW
Sitzpl. 1. - 2. - Klapps. 0-52-? Gesamtachsstand 18 200 mm Fahrleitungsspannung = 750 V
Dienstgewicht 39 t Dachhöhe über S.O. 3 550 mm Antriebsart Tatzlager
Höchstgeschwindigkeit 90 km/h Fußboden über S.O. 1 100 mm Bremse Kpbr
Raddurchmesser 900 mm Breite 2 933 mm Heizung Luft
* Angabe für beide Wagen eines Viertelzuges
Fahrzeugnummer Hersteller (mech.) Fabriknummer Baujahr Gattung | Skizzenblatt Achsfolge | Bauart        
4 Fahrzeuge
ET 170 001a Wb Ammendorf (Halle) 76631/1 1959 Bo'[2]'-el Dieses Fahrzeug wurde verschrottet.
ET 170 002a Wb Ammendorf (Halle) 76631/2 1959 Bo'[2]'-el Dieses Fahrzeug wurde verschrottet.
ET 170 003a Wb Ammendorf (Halle) 76631/3 1959 Bo'[2]'-el Dieses Fahrzeug wurde verschrottet.
ET 170 004a Wb Ammendorf (Halle) 76631/4 1959 Bo'[2]'-el Dieses Fahrzeug wurde verschrottet.

b-Mitteltriebwagen

Gattung B6iütr* Länge über Schaku 18 175 mm Motorbauart
GBM 150/800
Baujahre 1959 Länge Wagenkasten 17 775 mm Leistung 2 x 140 kW
Sitzpl. 1. - 2. - Klapps. 0-60-? Gesamtachsstand 17 300 mm Fahrleitungsspannung = 750 V
Dienstgewicht 39 t Dachhöhe über S.O. 3 550 mm Antriebsart Tatzlager
Höchstgeschwindigkeit 90 km/h Fußboden über S.O. 1 100 mm Bremse Kpbr
Raddurchmesser 900 mm Breite 2 933 mm Heizung Luft
* Angabe für beide Wagen eines Viertelzuges
Fahrzeugnummer Hersteller (mech.) Fabriknummer Baujahr Gattung | Skizzenblatt Achsfolge | Bauart        
4 Fahrzeuge
ET 170 001b Wb Ammendorf (Halle) 76632/1 1959 [2]'[Bo]'-el Dieses Fahrzeug wurde verschrottet.
ET 170 002b Wb Ammendorf (Halle) 76632/2 1959 [2]'[Bo]'-el Dieses Fahrzeug wurde verschrottet.
ET 170 003b Wb Ammendorf (Halle) 76632/3 1959 [2]'[Bo]'-el Dieses Fahrzeug wurde verschrottet.
ET 170 004b Wb Ammendorf (Halle) 76632/4 1959 [2]'[Bo]'-el Dieses Fahrzeug wurde verschrottet.

Quellen und Literatur

  • Walinowski, Mario: Das »Blaue Wunder« – Die Baureihe ET 170.0 der Deutschen Reichsbahn. Berlin 2005