723

723 002-2. Foto: H. Stradtmann
Funkmesstriebwagen 723 002-2 im April 1974 in Bremen Hbf. Foto: H. Stradtmann

Im Nummernplan vom 1. Januar 1968 wurde der Messtriebwagen Mü 5015a + Mü 5015b mit elektrischem Antrieb zur neuen Baureihe 723. Der 1935 gebaute Doppeltriebwagen ET 11 01 wurde bereits im Sommer 1961 zu einem Diensttriebwagen für die Versuchsanstalt München, Elektrotechnische Abteilung, umgebaut, allerdings erst 1964 mit einer entsprechenden Dienstwagennummer versehen. Schon 1970 nahm die Versuchsanstalt das Fahrzeug außer Betrieb.

Noch 1970/71 wurden zwei Dieseltriebwagen der Baureihe 660 (zuvor VT 60) zu Funkmesstriebwagen umgerüstet und als 723 002-2 und 723 003-0 bezeichnet. Auch sie wurden der Versuchsanstalt München zugeteilt und bis 1977 bzw. 1979 eingesetzt.

Aufgabe eines Funkmesswagen ist die Qualitätsüberprüfung des DB-Streckennetzes auf die Erreichbarkeit des Zug(bahn)funks. Schon in den 1950er-Jahren begannen Versuche, die Kommunikation per Funk zwischen Zug und Fahrdienstleitung auf verschiedenen Strecken aufzubauen. Die DB führte mit der Weiterentwicklung der Transistortechnik in den 1970er-Jahren das Zugbahnfunksystem auf vielen Strecken ein, später flächendeckend. Die Funkmesswagen haben die Aufgabe, etwaige Funklöcher aufzudecken und zu dokumentieren, oder die optimale Anordnung von Funksendern zu definieren.

Messwagen 723 001-4

    Länge über Puffer  21 793 mm Motorbauart
BBC EDTM 494
Baujahre 1935 Länge Wagenkasten 21 200 mm Leistung 2 x 255 kW
    Gesamtachsstand 17 150 mm    
Dienstgewicht 52 t Dachhöhe über S.O. 3 800 mm Bremse Hikpt mZ
Höchstgeschwindigkeit 160 km/h Fußboden über S.O. 1 240 mm Antriebsart Tatzlager
Raddurchmesser 1 100 mm, 950 mm Breite 2 890 mm Heizung  Luft
723 001-4. Foto: J. Lutz
Der Doppeltriebwagen 723 001-4 war nach seiner endgültigen Ausmusterung noch einige Zeit im AW Offenburg abgestellt (Juli 1975). Foto: J. Lutz

Der Doppeltriebwagen wurde zwischen Mai und August 1964 im AW Stuttgart-Bad Cannstatt aus dem im Dezember 1935 in Dienst gestellten ET 11 01a + ET 11 01b umgebaut. In Bezug auf die Innenausstattung blieb das Fahrzeug weitgehend unverändert, lediglich im a-Wagen wurde die Inneneinrichtung mit 30 Sitzplätzen ausgebaut und durch Werkbänke und Schreibtische ersetzt. Gepäckraum, Küche und Anrichte blieben unverändert. Im b-Wagen wurde die Inneneinrichtung überhaupt nicht verändert.

Bemerkenswerterweise ist die genaue Messausrüstung, ihre Funktion und die Abläufe, bislang nicht literaturbekannt. Boldt schreibt, dass das Betriebsbuch keinerlei Hinweise auf die genaue Ausrüstung liefert und betont, dass die Ausrüstung zum Funkmesswagen daher eher spekulativen Charakter hat. Kurtz erwähnt im ET-11-Buch mehrfach den Umbau, spart Einzelheiten aber aus und kommentiert lediglich die Eintragungen des Betriebsbuchs (siehe Literaturliste).

Der Triebwagen blieb von München aus im Einsatz. Bei dem Umbau erhielt er eine vollständig purpurrote Neulackierung unter Verzicht auf jegliche Zierstreifen. Der Messwagen erzielte nur noch vergleichsweise geringe Laufleistungen, bis er Anfang 1970 einen Motorschaden erlitt. In geschlepptem Zustand unternahm er weiterhin noch einige Messfahrten, bis er im Februar 1971 endgültig ausgemustert wurde. Seine Aufgaben übernahmen mutmaßlich die beiden Wagen 723 002-2 und 723 003-0.

Als historisch wertvolles Fahrzeug übernahm noch im Februar 1971 die Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte (DGEG) den Doppelwagen. Im Eisenbahnmuseum Neustadt (Weinstraße) wird er seit 1980 in einem an die ursprüngliche Farbgebung angelehnten elfenbeinfarbenen und zinnoberroten Lack präsentiert.

Fahrzeugnummer Hersteller (mech.) Fabriknummer Baujahr Achsfolge | Bauart        
2 Fahrzeuge
723 001-4a ME (Esslingen) 18926 1935 Bo'2'-el Es liegen Fotos dieses Fahrzeugs vor. Es liegen Stationierungsangaben vor. Es liegen Revisionsdaten vor.
723 001-4b ME (Esslingen) 18927 1935 Bo'2'-el Es liegen Fotos dieses Fahrzeugs vor. Es liegen Stationierungsangaben vor. Es liegen Revisionsdaten vor.

Funkmesswagen 723 002-2 und 723 003-0

    Länge über Puffer 22 080 mm Motorbauart
MWM RHS 518 A
Baujahre 1939-1940 Länge Wagenkasten 21 140 mm Leistung 244 kW
    Gesamtachsstand 17 440 mm Dieselvorrat 600 l
Dienstgewicht 37,4 t Dachhöhe über S.O. 3 950 mm Getriebebauart Voith T 25 MW
Höchstgeschwindigkeit 80 km/h Fußboden über S.O. 1 070 mm Bremse Hikpt (Klotz)
Raddurchmesser 900 mm Breite 3 010 mm Heizung Wasser (Pintsch)
723 002-2. Foto: M. Welzel
723 002-2 und 003-0 kamen bis 1977 im gesamten Bundesgebiet zum Einsatz (Ulm, Mai 1973). Foto: M. Welzel

Aus den Beständen ausgemusterter Vorkriegsdieseltriebwagen wählte die Versuchsanstalt München zunächst 1970 den Triebwagen 660 506-7 als neues Messfahrzeug aus, im Sommer 1971 auch noch das Schwesterfahrzeug 660 531-5. Die beiden Triebwagen wurden nun äußerlich deutlich als »Funkmesstriebwagen« gekennzeichnet und erhielten die neuen Nummern 723 002-2 und 723 003-0. Die Inneneinrichtung soll teilweise entfernt worden sein, um Platz für die Messeinrichtungen zu schaffen. Auch hier ist nichts Konkretes bekannt, wie die Ausrüstung genau aussah und wie sich die Messabläufe darstellten. Äußerlich blieben die Fahrzeuge weitgehend unverändert.

Beide Triebwagen kamen im gesamten Bundesgebiet zum Einsatz. Boldt berichtet, dass der 723 002-2 im Oktober 1974 bei einem AW-Aufenthalt in Kassel seinen Motor verlor, nachdem dieser schadhaft wurde. Der Wagen soll anschließend nur noch geschleppt eingesetzt worden sein, wie auch ein Bild im Kurz-Buch vom Juli 1975 hinter einer 290 zeigt. Ein Schaden scheint auch bei 723 003-0 aufgetreten zu sein, denn dieser Triebwagen wird auf den Fotos in unserem Fahrzeuglebenslauf ab 1975 im gemeinsamen Einsatz mit einer V 100 gezeigt. Winkler und Dietz hingegen berichten, dass 723 003-0 ab 1977 wegen Motorschadens nur noch geschleppt eingesetzt werden konnte. Kann hier ein Leser für Aufklärung sorgen?

Während 723 002-2 im April 1977 ausgemustert wurde und noch bis Mitte 1979 in Kassel stand, blieb 723 003-0 bis Januar 1979 aktiv. Er wurde 1980 an eine Gruppe Eisenbahnfans rund um die Arbeitsgemeinschaft Lok-Report verkauft und bei den Hammer Eisenbahnfreunden hinterstellt. Das Fahrzeug wanderte in den Folgejahren zu mehreren Eigentümern und wartet heute bei einem Privatmann in Osnabrück auf seine betriebsfähige Aufarbeitung.

Fahrzeugnummer Hersteller (mech.) Fabriknummer Baujahr Achsfolge | Bauart        
2 Fahrzeuge
723 002-2 Westwaggon (Köln) 157534 1939 (A1)'2'-dh Es liegen Fotos dieses Fahrzeugs vor. Es liegen Stationierungsangaben vor. Es liegen Revisionsdaten vor. Dieses Fahrzeug wurde verschrottet.
723 003-0 Düwag (Düsseldorf) 13142 1940 (A1)'2'-dh Es liegen Fotos dieses Fahrzeugs vor. Es liegen Stationierungsangaben vor. Es liegen Revisionsdaten vor.

Text: © Malte Werning

Quellen und Literatur

  • Boldt, Arend: Bahndienstfahrzeuge. Technik und Aufgaben der Baureihen 701 bis 740. Gülzow 1997.
  • Dietz, Günther: Baureihe VT 60.5 (I) - Eleganz und Qualität. In: Lok-Magazin 352 (2011).
  • Dietz, Günther: Baureihe VT 60.5 (II) - VT 137 396 wieder fahrfähig? In: Lok-Magazin 353 (2011).
  • Hertwig, Roland: VT 60 531 der ODF – Reaktivierung eines Unikats. In: Eisenbahn-Kurier 494 (2013).
  • Iffländer, Helmut / Paule, Thomas / Braun, Andreas / Rieger, Gerhard: Die elektrischen Einheitstriebwagen der Deutschen Reichsbahn. Bd 3: Die Triebwagen für Städteschnellverkehr ET 11 und 31/32. München 1989
  • Kurz, Heinz R.: Die Triebwagen der Reichsbahn-Bauarten – Die Baureihen VT 133-VT 137. Freiburg 1988.
  • Kurz, Heinz R.: Triebwagen der Deutschen Reichsbahn – Die Baureihen VT 133 bis VT 137. Freiburg 2013.
  • Kurz, Heinz R: Die Baureihe ET 11. Die elektrischen Schnelltriebwagen der Deutschen Reichsbahn. Freiburg 2024.
  • Winkler, Dirk / Dietz, Günther: Verbrennungstriebwagen der Deutschen Reichsbahn. Band 2. München 2023.