Fahrzeugtypen der Hersteller

In dieser Rubrik sind die von den Waggonbaufirmen selbst entwickelten Triebwagentypen nach ihren Herstellern sortiert enthalten. Unter den einzelnen Herstellern stellen wir deren Fahrzeugtypen und Lieferlisten vor. Da das Thema dieser Seite alleine auf die in Deutschland eingesetzten Triebwagen fokussiert ist, werden Exportfahrzeuge nicht aufgeführt, auch wenn sie zum gleichen Triebwagentyp gehören (Beispiel: LINT 41 für Dänemark, Desiro für Rumänien etc.).

Auch in dieser Rubrik beschäftigen wir uns zunächst mit den Fahrzeugtypen, die vor dem Zusammenbruch des Deutschen Reichs entstanden. In einer späteren Erweiterung auf die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts werden dann auch diese Seiten erweitert.

Über Ergänzungen, Korrekturen und Hinweise freuen wir uns immer!

Triebwagen bis 1945

Seit jeher haben die deutschen Staatsbahnen die für sie gebauten Fahrzeuge - ob Lokomotiven, Triebwagen oder Wagen - gemeinsam mit der Fahrzeugindustrie entwickelt und speziell auf die Bedürfnisse der großen Bahngesellschaften zugeschnitten bekommen. Dafür führten die Staatsbahnen selbst eigene Ämter und maschinentechnische Stellen.

Diese Möglichkeite hatten die einst zahlreichen deutschen Privatbahnen nicht. Oft standen gerade die kleinen Privatbahnen, die nur eine Nebenstrecke betrieben, unter enormem wirtschaftlichen Druck. Viele von ihnen hatten in den Jahren des Ersten Weltkriegs und den folgenden Hamsterjahren hohe Einnahmen erzielt. Die Mittel konnten sie allerdings wegen der allgemeinen Materialknappheit kaum einsetzen. Spätestens 1923 hatte die Inflation das angesparte Kapital aufgezehrt und entwertet, ohne dass dringend notwendige Investitionen getätigt wurden. Stattdessen stiegen die Betriebskosten, weil Kohle knapp und teuer wurde und zudem die Arbeitnehmer erste tarifpolitische Erfolge erzielen konnten.

Den Privatbahnen wurde empfohlen, in die Anschaffung wirtschaftlich arbeitender Triebwagen zu investieren. Das war aber nur sehr wenigen Bahnen möglich, denn Motortriebwagen galten als hochmodernste Technik und waren in der Anschaffung entsprechend kostspielig. Hier musste bei den Anteilseignern erst aufwändige Überzeugungsarbeit geleistet werden, bis die Anschaffung eines Triebwagens möglich wurde. Nur wenigen Bahnen gelang in den 1920er-Jahren dieser Schritt. Die ersten Motorwagen der 1920er-Jahre wurden in erster Linie von DWK und AEG gebaut, die beide etwa zeitgleich Triebwagen mit Benzolmotoren entwarfen. Während DWK Motoren und Getriebe selbst entwickelte und baute, verwendete die AEG Motoren und Getriebe ihrer Tochter NAG und gab die Fahrwerke und Wagenkästen bei anderen Waggonherstellern in Auftrag. Diese Fahrzeuge hatten in erster Linie noch einen Holzaufbau. Die Technik kämpfte noch mit diversen Kinderkrankheiten.

Weitere Waggonfabriken schauten interessiert auf diese Marktlücke und suchten nach Wegen, die Anschaffungskosten solcher Triebwagen zu senken und gleichzeitig ihre Zuverlässigkeit zu erhöhen. Das war um 1932 der Fall, als der robustere Dieselmotor mit deutlich stärkerem Drehmoment  seinen Siegeszug ahtrat. Gleichzeitig machte der Durchbruch in der Schweißtechnik nun leichtere Wagenkästen bei gleichzeitig hoher Stabilität möglich.

Ab 1930 war es vor allem die Wismarer Waggonfabrik, die auf Initiative des Landeskleinbahnamtes Niedersachsen einen preiswerten Schienenomnibus mit Benzinmotoren nach standardisiertem Bauschema schuf. Einen ähnlichen Weg ging die WUMAG in Görlitz, die aber sehr schnell auf Dieselmotoren von Daimler-Benz setzte. Auch O&K entwickelte Triebwagen, die in den zum gleichen Konzern gehörenden Waggonfabriken Dessau und Gotha gebaut wurden. Auch weitere Hersteller fertigten Triebwagen, bei denen es aber zumeist nur bei sehr kleinen Stückzahlen blieb. Beispielhaft seien genannt: Uerdingen, MAN, Niesky (CU), Talbot, Esslingen.

Anders als die Staatsbahn(en) waren die kleinen Privatbahnen aus sehr naheliegenden Gründen kaum in der Lage, Versuchsreihen mit Fahrzeugtypen zu riskieren. Oft wurde sogar nur eine einzelner Triebwagen benötigt, bei dem man sich auf keine Experimente einlassen konnte: Das Fahrzeug musste betriebstauglich sein. Aus diesem Grund entwickelten die verschiedenen Hersteller gewisse Fahrzeugtypen speziell für Privatbahnen, die häufig durch die Verwendung eines »Baukastensystems« standardisiert und dadurch günstiger angeboten wurden. Um diese Fahrzeugtypen, die bei diversen deutschen Privatbahnen in den Einsatz gingen, geht es auf den folgenden Seiten in diesem Kapitel.

Die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft zeigte sich von den Programmen der Hersteller übrigens zunächst weitgehend unbeeindruckt. Bis Mitte der 1930er-Jahre schaffte sie zwar auch versuchsweise einige Triebwagen an, wie wir im DRG/DRB-Kapitel ausführlich darstellen. Sie legte ihren Fokus allerdings auf die Entweicklung der Einheitsdampflokomotiven, und so blieben Triebwagen eine Randerscheinung. Das sollte sich erst in der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre ändern, als die DRG/DRB große Pläne für eine Triebwagenflotte schmiedete (zu der es dann kriegsbedingt aber nicht mehr kam).

Triebwagen der Nachkriegszeit

Andere Hersteller folgten vor allem in der deutschen Nachkriegszeit: MAN schuf einen zeitgemäßen Schienenbusnachfolger, aber auch der bekannte Uerdinger Schienenbus wurde für die Bedürfnisse diverser NE-Bahnen adaptiert. Die Maschinenfabrik Esslingen wie auch die Maschinenbau Kiel bauten deutlich größere vierachsige Dieseltriebwagen für weitere Privatbahnen. Der Trend kam Ende der 1960er-Jahre angesichts der unklaren Zukunft vieler NE-Bahnen erst einmal zu einem Stillstand.

In den 1980er-Jahren sorgte die Waggon-Union mit ihrem hochmodernen Vierachser »NE 81« für eine Zwischenlösung, da viele der Triebwagen aus den 1950er-Jahren bereits wieder ersetzt werden mussten.

Die Entwicklung seit der »Bahnreform«

Eine Wiederbelebung des Triebwagen-Booms fand aber erst ab 1994 statt, als der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) die Fahrzeughersteller aufforderte, neue leichte Triebwagen zu entwerfen: Die Regionalisierung von Strecken, die  Ausschreibung und Finanzierung von Nahverkehrsleistungen durch die Bundesländer führten dazu, dass ein großer Bedarf an zeitgemäßen neuen Triebwagen bestand. Nahezu alle Waggonbaufirmen, allen voran Duewag (Regio-Sprinter, Desiro), Alstom LHB (LINT), Talbot (Talent), ADtranz (Regio-Shuttle) und Stadler (GTW 2/6) entwickelten daraufhin verschiedene neue Fahrzeugtypen. Nicht nur die etablierten Privatbahnen bedienten sich aus diesem Angebot, es entstanden auch zahlreiche neue Eisenbahnverkehrsunternehmen, die die Bedienung ganzer Streckennetze von der Deutschen Bahn übernahmen.

Dies war der Zeitpunkt, als die Deutsche Bahn AG als Staatsbahn von ihrer bisherigen Praxis abwich und ebenfalls auf die neuen Fahrzeugtypen zurückgriff, ohne Eigenentwicklungen zu initiieren. So ist es heute an vielen Orten möglich, dass sich drei Triebwagen des gleichen Typs in einem Bahnhof treffen, aber jeder der Wagen von einem anderen Unternehmen beschafft wurde. Welcher Triebwagentyp dabei bevorzugt wird, ist oft von Bundesland zu Bundesland verschieden - hier hängt es stark davon ab, ob das finanzierende Bundesland über die Ausschreibung den Triebwagentyp vorgibt, um die Fördermittel in die Arbeitsplätze des ortsansässigen Anbieters zu investieren.

Mit der zunehmenden Vergabe von ganzen Netzen an private Eisenbahnbetreiber ergab sich auch die Neuerung, dass die klassischen Privatbahntriebwagen nicht nur – wie bislang gewohnt –, Dieseltriebwagen umfassten, sondern nun auch ganze Flotten an elektrischen Triebzügen entstanden. Neuestes Kapitel ist in diesem Zusammenhang der elektrische Flirt-Triebzug von Stadler, der sowohl von DB Regio (Reihe 429) als auch mehreren Eisenbahnverkehrsunternehmen (Cantus, Abellio, Eurobahn etc.) beschafft wird. Durch die Fahrzeugstellung für ganze Netze durch Verkehrsverbände verschwimmt die Grenze zwischen Staatsbahn- und Privatbahnen zunehmend, und auch die DB selbst greift auf Fahrzeuge zurück, die sich im Eigentum des Landes oder ihrer Zweckverbände befinden.

Text: © Malte Werning