Gattungsbezeichnungen

Bei der Zusammenführung der ehemaligen deutschen Länderbahnen zu einer großen reichsweiten Staatsbahn stand die DR bzw. die DRG vor dem Problem, dass sich durch die Vielzahl der getrennt abgelaufenen Entwicklungsgeschichten eine unüberschaubare Vielfalt an Fahrzeugtypen im Reisezugwagenpark wiederfand, der sehr schwer zu katalogisieren war. Die Länderbahnen hatten bereits jeweils eigene recht unterschiedliche Systeme ausgearbeitet, ihre Wagen in Gattungen zu ordnen. Die DRG sah sich genötigt, ein einheitliches System für ihre Reisezugwagen - zu denen damals auch die Triebwagen gehörten - einzuführen.

Die Reichseisenbahn übernahm 1921 das von der Preußischen Staatsbahn eingeführte System und schrieb es verbindlich vor, doch wurde es in den Folgejahren noch mehrere Male überarbeitet, ohne dass sich dies heute noch an exakten Daten festmachen lässt. Dies führt zu teils widersprüchlichen Angaben über die Gültigkeitszeiträume der Gattungszeichen in der Literatur. Die nachfolgend gemachten Angaben für den Zeitraum ab 1930 gelten jedoch als gesichert.

Die Gattungszeichen bestanden aus einer Zeichenfolge, die sich aus Haupt- und Nebengattungszeichen zusammensetzt. Speziell für die Triebwagenbauarten, um denen es auf dieser Webseite speziell geht, gab es eigene Ergänzungen zur Antriebsart und Kraftquelle (siehe Abschnitt Zusatzzeichen für Triebwagen, Beiwagen und Steuerwagen). Um nicht nur verkehrs-, sondern auch wagenbauliche Aspekte in der Gattungsbezeichnung zu hinterlegen, wurden bei unterschiedlichen Bauarten auch das Konstruktionsjahr und bei Länderbauarten die Herkunft intern angefügt, damit die Wagentypen speziellen Skizzenblättern zugeordnet werden konnten. Diese Skizzenblätter führte die DRG im Maßstab 1:100 zumeist sehr detailliert aus und katalogisierte auf diese Weise ihren Fahrzeugpark.

Hauptgattungszeichen

Die nachfolgenden Hauptgattungszeichen geben einen ersten Überblick, über welche grundsätzliche Reisezugwagenart es sich handelt. Diese Zeichen konnten auch in Kombination auftreten, wobei beispielsweise ein Wagen mit 2. und 3. Wagenklasse sowie einem Postabteil dementsprechend als BCPost bezeichnet wurde. Aufgeführt sind nur die Zeichen, die auch bei Triebwagen verwendet wurden - bei reinen Reisezugwagen gab es noch zahlreiche weitere.

ZeichenZeitraumErläuterung
A   Wagen 1. Klasse
B   Wagen 2. Klasse
C   Wagen 3. Klasse
CC 1928-1937 Wagen 3. Klasse, ehem. CD mit nachgerüsteten Sitzbänken
D bis 1928 Wagen 4. Klasse (Holzbänke längs der Fahrtrichtung, Stehplätze)
Dienst   Dienstwagen
.L   Lokalbahnwagen
M   Behelfswagen, Mannschaftswagen
Masch..  ab 1935 Maschinenwagen
Post   Wagen mit Postabteil
Pw   Reisezug-Gepäckwagen
Salon   Salonwagen
WR   Speisewagen

Die voran- oder nachgestellten Punkte bei einigen der oben genannten Hauptgattungszeichen bedeuten, dass das betreffende Zeichen nur mit anderen Hauptgattungszeichen zusammen vorkommt. Weitere Kombinationen sind ebenfalls möglich.

Am 7. Oktober 1928 wurde die 4. Klasse offiziell abgeschafft. Mit den bisherigen 4. Klasse-Abteilen wurde unterschiedlich umgegangen, denn diese wurden in vielen Fällen in Traglastenabteile umgewandelt oder aber - oftmals ohne Änderung der Ausstattung - der 3. Wagenklasse zugeschlagen. Das Hauptgattungszeichen D wurde in den letzteren Fällen entsprechend in ein C abgeändert. Zur besonderen Kennzeichnung wurde ein ehemaliger CD-Wagen (mit 3. und 4. Wagenklasse) in CC und nicht etwa in C umgezeichnet. Gleichzeitig wurde in vielen Fällen das Nebengattungszeichen d verwendet, das ehemalige 4. Klasse-Abteile mit Bretterbänken kennzeichnete. Diese Regelungen betrafen selbstverständlich aber nur die vor 1928 in Dienst gestellten Triebwagen und Reisezugwagen.

Nebengattungszeichen

Auf das Hauptgattungszeichen folgten meist ein oder mehrere Nebengattungszeichen, welche stets Kleinbuchstaben die genaue Eigenschaften der Wagen kodierten. Wagen mit nur 2 Achsen wurden als »Normalfall« nicht gesondert gekennzeichnet. Insbesondere das Zeichen d, das sich auf die 1928 abgeschaffte 4. Wagenklasse bezieht, verschwand nach Umbauten oder Abgängen schnell wieder. Die nachfolgende Liste der Nebengattungszeichen beschränkt sich auf diejenigen, die im Zeitraum 1924 bis 1937 bei Triebwagen bekannt sind. Für die übrige Reisezugwagenflotte der DRG bestanden noch zahlreiche weitere Zeichen.

ZeichenErläuterung
3 Wagen mit 3 Achsen
4 Wagen mit 4 Achsen
6 Wagen mit 6 Achsen (bei Triebzügen mit Jakobsdrehgestellen werden alle Achsen gezählt!)
8 Wagen mit 8 Achsen (bei Triebzügen mit Jakobsdrehgestellen werden alle Achsen gezählt!)
d ehemalige 4. Klasse-Abteile mit Bretterbänken werden unverändert für die 3. Klasse benutzt
h elektrische Heizung
i Durchgangswagen mit offenen Wagenübergängen
k Küchenabteil (nicht bei WR und WL)
kr Krankenabteil
sm Schmalspurwagen
tr Abteile für Reisende mit Traglasten, in der Praxis zumeist ehemalige 4. Klasse-Abteile
u Abteile wurden in eine andere Wagenklasse als der ursprünglichen vollständig umgebaut
ü Durchgangswagen mit geschlossenen Wagenübergängen (Faltenbälge, Gummiwülste)
z für Zahnradbahnen geeignet (mit Bremszahnrad)

Zusatzzeichen für Triebwagen, Beiwagen und Steuerwagen

Da das Gattungszeichensystem zu einem Zeitpunkt entwickelt wurde, als Triebwagen noch keine große Bedeutung hatten, wurde die Besonderheit dieser Bauart durch weitere Buchstabenanhänge gekennzeichnet, die nachfolgend aufgeführt werden:

TriebwagenartZeichen TriebwagenZeichen BeiwagenZeichen Steuerwagen
Dampftriebwagen dT  -  -
elektrische Triebwagen mit Akkumulatorenspeisung (Speichertriebwagen)  eaT  ea  eaS
elektrische Triebwagen mit Speisung aus Oberleitung  elT  el  elS
elektrische Triebwagen mit Speisung aus Stromschiene  esT  es  esS
Triebwagen mit Verbrennungsmotor  vT  v  vS

Detailangaben

Um auch unterschiedliche Bauserien, Herkünfte oder nicht mit Gattungszeichen darstellbare Detailunterschiede festzulegen, wurde die Gattungsbezeichnung noch weiter verfeinert, damit diese in reichsweit veröffentlichten Dienstvorschriften und Merkbüchern individuellen Skizzen zugeordnet werden konnten. Dabei wurden zwei verschiedene Arten angewandt:

Ehemalige Länderbahnwagen erhielten ein Kürzel aus zwei oder drei Kleinbuchstaben, die das Herkunftsland angaben, sowie eine zweistellige Jahresangabe, die sich auf das Konstruktionsjahr - nicht aber auf das individuelle Baujahr des einzelnen Wagen - bezog. Folgende Abkürzungen wurden verwendet: pr für Preußen, bad für Baden, bay für Bayern und sa für Sachsen.

Reichsbahn-Einheitswagen, die bereits nach einheitlichen reichsweiten Kriterien gebaut wurden, erhielten ebenfalls die zweistellige Jahresangabe, die jedoch mit einem Bindestrich von der bisherigen Gattungszeichnung getrennt wurde.

Sofern es auch mit diesen Kennzeichnungen Bedarf an einer weiteren Unterscheidung gab, wurde den Jahreszahlen noch ein Präfix, beginnend mit dem Kleinbuchstaben "a", angehängt.

Text: © Malte Werning