(Königlich) Preußische Staatsbahn
In Preußen verfolgte man die Entwicklung von Triebwagen und Triebzügen sowohl im Ausland als auch in Württemberg mit Interesse. Siemens & Halske traten auf die Staatsbahn zu, um mit einer Versuchsstrecke die besonderen Vorzüge der elektrischen Traktion demnonstrieren zu können. Die KED Berlin stellte dafür die Berliner Wannseebahn vom Bahnhof Wannsee bis Zehlendorf Mitte zur Verfügung, die mit Stromschienen nachgerüstet wurde. Zwei dreiachsige Abteilwagen wurden 1900 im EAW Tempelhof zu Triebwagen umgebaut, die an der Zugspitze und am Zugschluss einer aus zehn Wagen bestehenden Zuggarnitur eingereiht wurden. Die Versuche mit 750 V Gleichspannung fanden von August 1900 bis Juni 1902 parallel zum herkömmlichen Dampfbetrieb statt.
Ab 1903 wurden auch auf der Lichterfelder Vorortbahn (Berlin Potsdamer Bahnhof – Groß Lichterfelde Ost) mit neuen Triebwagen für 550 V Gleichspannung im Stromschienenbetrieb durchgeführt. Anders als bei der Wannseebahn wurde hier der Betrieb erstmals komplett auf elektrische Triebwagen umgestellt.
Noch im gleichen Jahr begannen auf der Zweigstrecke Schöneweide – Spindlersfeld erfolgreiche Tests mit zwei Triebwagen für Einphasen-Wechselstrom mit 6.300 V 25 Hz im Oberleitungsbetrieb. Dies geschah bereits unter dem Einfluss des Wirklichen Geheimen Oberbaurats Dr.-Ing. Gustav Wittfeld im Ministerium für öffentliche Arbeiten. Auf seine Initiative hin wagte die Preußische Staatsbahn daraufhin ein größeres Testfeld, nämlich die 27 km lange Strecke Blankenese - Ohlsdorf der Hamburg-Altonaer Stadt- und Vorortbahn, mit diesem Stromsystem zu elektrifizieren. Am 1. Oktober 1907 fuhren die ersten Triebwagen auf dieser Strecke. Über 150 zweiteilige Triebwagen wurden bis 1913 für Hamburg und Altona in Dienst gestellt.
Wittfeld galt nicht nur als Wegbereiter der elektrischen Zugförderung, sondern ganz besonders auch als Förderer des Triebwagengedankens. 1906 regte er die Beschaffung von Triebwagen auch für einen flächendeckenden Einsatz in ganz Preußen an. Die Staatsbahn beschaffte daraufhin zwei neue Dampftriebwagen der Bauart Stoltz, einen Triebwagen mit Benzolmotor und zunächst sechs Akkumulator-Triebwagen in verschiedenen technischen Ausführungen. Während rasch Zweifel über die Zukunftsfähigkeit der Dampftriebwagen aufkamen, blickte man in Preußen optimistisch auf die anderen beiden Traktionsarten. Von 1909 bis in den Ersten Weltkrieg hinein wurden noch 24 Benzol- und Dieseltriebwagen in Dienst gestellt. Das war aber kein Vergleich mit dem ab 1908 einsetzenden Serienbau der Akkutriebwagen, die in der Form der bekannten Doppeltriebwagen AT 3 auch als »Wittfeld«-Triebwagen zu einer Legende wurden und bis 1915 in insgesamt 164 Einheiten gebaut wurden.
Nachdem die im Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen (VDEF) zusammengeschlossenenen Bahnverwaltungen zwischen 1911 und 1913 über eine einheitliche Spannung im elektrischen Oberleitungsnetz berieten und schließlich eine Empfehlung für 15 kV / 16 2/3 Hz aussprachen, wurden die Vorbereitungen für die ersten „Elektrisierungen“ getroffen. Mit dieser wegweisenden Entscheidung zu einem einheitlichen Stromsystem im Deutschen Reich wurden auch die Weichen für die ersten Oberleitungstriebwagen außerhalb der Vorortnetze von Hamburg und Berlin gestellt.
1912 liefen bereits die Vorbereitungen für die ersten „Elektrisierungen“ der schlesischen Gebirgsbahnen (Laubahn – Königszelt) an. Hierfür bestellte die Preußisch-Hessische Staatseisenbahn zunächst fünf dreiteilige Elektrotriebzüge bei Linke-Hofmann in Breslau, die aus einem angetriebenen Mittelwagen und zwei Steuerwagen bestanden. 1913 wurde der Auftrag um einen sechsten Triebzug erweitert.
Noch 1913 beschloss der preußische Landtag den Bau eines Fahrdrahts für die Berliner Stadt- und Ringbahn sowie Vorortbahnen. Etwa zu diesem Zeitpunkt wurden wiederum bei Linke-Hofmann auch vier einteilige Versuchstriebwagen für ein künftiges Berliner S-Bahnnetz bestellt, die im wagenbaulichen Teil im Wesentlichen den preußischen vierachsigen Abteilwagen glichen. Das war durchaus Absicht, denn die vorhandenen Wagen sollten leicht umgebaut und als Bei- und Steuerwagen entsprechend Verwendung finden.
Währenddessen hagelte es von den Befürwortern der Dampftraktion Kritik an den Elektrisierungsplänen in Berlin. Während auf den schlesischen Gebirgsbahnen 1914 eine erste Teilstrecke und dazu die neuen Triebzüge in Betrieb genommen werden konnte, verhinderte der Kriegsausbruch in Berlin erst einmal weitere Fortschritte in der S-Bahn-Frage. Erst nach Kriegsende wurde der Bau der vier Berliner Wagen fertiggestellt.
Doch inzwischen hatten sich die Planungen geändert: Berlin sollte eine oberleitungslose S-Bahn erhalten, nun war eine Gleichstrombahn geplant, die ihre Energieversorgung über eine seitlich am Gleis geführte Stromschiene erhalten sollte. Die fertiggestellten neuen Triebwagen wurden daraufhin ebenfalls nach Schlesien ausgeliefert, wo sie sich als geeigneter für die Steilstrecken herausstellten und um 1922 die vorhandenen sechs Dreiteiler ablösten, die wiederum auf weniger steigungsreichen Strecken zum Einsatz kamen.
Rückblickend kann man sagen, dass nach anfänglicher Zurückhaltung die Preußische Staatsbahn ab 1907 dem Triebwagengedanken in Deutschland die wichtigsten Impulse gab. Vor allem auf dem Gebiet der akkumulatorbetriebenen Schienenfahrzeuge setzte Preußen damals Maßstäbe, die über Jahrzehnte nachhallten.
Auf Grund der Vielzahl der in Preußen in Dienst gestellten Triebwagen finden Sie die einzelnen Traktionsarten, nämlich
- den Dampftriebwagen
- den Akkumulatortriebwagen
- den Elektrotriebwagen
- und den Verbrennungstriebwagen
mit ausführlichen Dokumentationen und Fahrzeuglisten in den jeweiligen Untermenüs. Allgemeine Informationen zu unseren festgelegten Schreibweisen bei den Eigentumsverhältnissen der Preußischen Staatsbahnen finden Sie hier.