VT 98 | VB | VS
Nach den ersten Erfolgen des VT 95 | VB 142 war es die Graz-Köflacher Eisenbahn in Österreich (GKB), die bei Uerdingen eine Adaption des VT 95 in Auftrag gab, bei der wegen der steigungsreichen und dicht belegten Strecken eine zweite Maschinenanlage installiert werden sollte. Hierfür musste Uerdingen die Fahrgestellkonstruktion aufwändig umkonstruieren und den Rahmen verstärken.
Die DB nutzte diesen Entwicklungszweig und ließ drei Wagen aus der laufenden Fertigung der 2. Bauserie des VT 95 nach dem GKB-Vorbild doppelmotorig ausrüsten. Sie kamen im Juni 1953 zur Auslieferung. Die drei Triebwagen waren für die Strecke Passau – Wegscheid vorgesehen, die im gemischten Zahnrad- und Adhäsionsbetrieb stand. Die als VT 98 901 bis 903 bezeichneten Fahrzeuge sollten dort im reinen Adhäsionsbetrieb mit verstärkter Bremsleistung den Personenverkehr übernehmen. Sie entsprachen wagenbaulich ansonsten weitgehend den VT 95. Auch sie besaßen leichte Mittelpufferkupplungen und die »Panorama«-Fenster der ersten VT 95-Lieferserie.
Die guten Betriebsergebnisse ermutigten den Betriebsmaschinendienst, zusätzlich zu den einmotorigen VT 95 auch die serienmäßige Beschaffung zweimotoriger Schienenbusse zu fordern. Damit sollte auch die Bewältigung steigungsreicherer Strecken mit Beiwagen möglich werden, die bislang dem VT 95 versagt blieben – auch wenn dies mit erhöhtem Wartungsaufwand für zwei Büssing-U10-Maschinenanlagen (110 kW) verbunden war. Dabei wurden verschiedene weitere Verbesserungen eingeplant: Für die Mitnahme gewöhnlicher Wagen wurden reguläre Hülsenpuffer und Schraubkupplungen vorgesehen, wodurch die Länge über Puffer auf 13.950 mm anwuchs. Außerdem projektierte man nun auch die Beschaffung von Steuerwagen und sah eine entsprechende Wendezugsteuerung vor. Wagenkasten und Inneneinrichtung veränderten sich nur in Details.
Als VT 98 9501 verließ im Juli 1955 der erste Serien-VT 98 die Uerdinger Werkhallen. Die insgesamt gebauten 329 Triebwagen wurden auch von MAN (25) und WMD (85) gebaut. Die Wagen 9531 bis 9550 und 9571 bis 9600 erhielten zusätzlich zu der Magnetschienenbremse auch eine Motorbremse für den Einsatz auf Steilstrecken. Die Wagen wurden grundsätzlich stahlgefedert, doch bei den Wagen 9635, 9637, 9638, 9639, 9640 und generell ab dem VT 98 9651 sorgen vier lastabhängig gesteuerte Luftfedern für eine verbesserte Abfederung des Wagenkastens.
Bei den Beiwagen griff man eine bereits bei der GKB realisierte Idee auf und vergrößerte auch hier den Achsstand auf 6 Meter. Der Wagenkasten entsprach damit in seinen Abmessungen den Triebwagen. Die Beiwagen erhielten zunächst ein Packabteil, die zugehörigen Türen wurden abweichend vier- statt dreiflügelig ausgeführt. Von den bisherigen Konventionen wich man auch bei den Fahrzeugnummern ab, denn die Beiwagen wurden als VB 98 (und nicht etwa als VB 143) eingereiht. In dieser Form wurden innerhalb von zwei Jahren 220 Beiwagen bei Uerdingen, WMD und Credé gefertigt. Alle waren stahlgefedert, nur VB 98 110 besaß versuchsweise eine Luftfederung.
Erst mit mehrmonatiger Verspätung, ab Ende 1955, wurden auch die ersten 30 Steuerwagen als VS 98 von WMD mit Stahlfederung ausgeliefert. Diese entsprachen exakt den Beiwagen, besaßen aber innerhalb des Packabteils ihren Steuertisch. 1957 folgten weitere 15 Steuerwagen (VS 98 031 bis 045), diesmal bereits mit Luftfederung ausgeliefert von Credé. Offenbar war die DB seinerzeit nicht auf einen erfolgreichen Steuerwagenbetrieb eingestellt, was erklären mag, dass die Beschaffung größerer Stückzahlen lange hinausgeschoben wurde. 1958 war der Bedarf so groß, dass aus VB 98 100, 101 und 102 im AW Kassel die Steuerwagen VS 98 046, 047 und 048 hergestellt wurden. Offenbar war auch noch der Umbau zweier weiterer VB zu Steuerwagen geplant, denn die Nummern VS 98 049 und VS 98 050 wurden freigehalten und später nicht mehr besetzt.
Die Indienststellung größerer Stückzahlen VS 98 setzte erst 1959 ein, als Uerdingen, MAN und WMD gemeinsam bis 1961 insgesamt 265 Steuerwagen bauten (VS 98 051 bis 084, 091 bis 321 – die eigentlich als VS 98 085 bis 090 geplanten Wagen wurden hingegen als VS 97 001 bis 006 in Dienst gestellt). Gleichzeitig bestellte die DB auch noch 100 weitere Beiwagen als Verstärkung für dreiteilige Garnituren. Doch da sich das Packabteil ohnehin in jedem Steuerwagen befand, konnten die VB 98 nun als komplette zwölfreihige Großraum-Sitzwagen ausgeführt werden. Zur Unterscheidung wurden diese Wagen mit vierstelligen Ordnungsnummern (als VB 98 2221 bis 2321) ausgeliefert. An der Lieferung dieser Beiwagen war neben Uerdingen und WMD nun Rathgeber an Stelle von Credé beteiligt. Alle genannten Wagen besaßen Luftfederung.
Schon 1957 wurden VT 98 9552 und VS 98 022 zu Ultraschallprüfwagen Han 5087 und Han 5088 umgebaut. Nach einem schweren Unfall bei Gifhorn wurden VT 98 9753, VB 98 2277 und VS 98 100 bereits 1962 ausgemustert.
Zum 1. Januar 1968 wurden alle verbliebenen 330 Trieb-, 316 Bei- und 311 Steuerwagen EDV-gerecht in die Baureihe 798 | 998 umgezeichnet.
Aufgrund der Menge an Fahrzeugen haben wir die Fahrzeuglisten getrennt. Sie sind über die Links in der linken Menüspalte oder hier zu finden:
- die Triebwagen VT 98 9501 bis VT 98 9829
- die Beiwagen VB 98 001 bis VB 98 220 und VB 98 2221 bis VB 98 2320
- die Steuerwagen VS 98 001 bis VS 98 321
Text: © Malte Werning
Quellen und Literatur
- Ebel, Jürgen-Ulrich / Högemann, Josef / Löttgers, Rolf: Schienenomnibusse aus Uerdingen. Bd 1: Technik und Geschichte bei DB, Privatbahnen und im Ausland. Freiburg 2001.
- Ebel, Jürgen-Ulrich / Högemann, Josef / Löttgers, Rolf: Schienenomnibusse aus Uerdingen. Bd 2: Einsatzgeschichte der Baureihen VT 95, VT 97 und VT 98. Freiburg 2002.
- Kabelitz, Andreas / Werning, Malte: VT 95-98 – Der Uerdinger Schienenbus. Eisenbahn-Journal Sonderausgabe 1/2012. Fürstenfeldbruck, 2012
- Krantz, Jürgen / Meier, Roland: Baureihen VT 95-VT 98 - Die Schienenbusse der Deutschen Bundesbahn. Stuttgart 2002.
- Löttgers, Rolf: Der Uerdinger Schienenbus. Nebenbahnretter und Exportschlager. Stuttgart 1985.
- Werning, Malte (Hrsg.): Schienenbusse – VT 95-VT 98: Triebwagen-Veteranen der 50er Jahre. München 2001.
- Werning, Malte: VT 95 der Bundesbahn: Der Einmotorige. In: Lok-Magazin 507 (2023).