Triebwagentypen von Talbot
Die Waggonfabrik Talbot in Aachen ist der älteste deutsche Hersteller von Schienenfahrzeugen, Johann Hugo Jacob Talbot gründete das Werk im Jahre 1838 unter dem Namen Pauweis & Talbot. Auslöser war eine Ausschreibung der Rheinischen Eisenbahn Gesellschaft, die 200 Güter- und Personenwagen für die neue Strecke Köln – Düren – Aachen – Antwerpen benötigte. Die Waggonfabrik fertigte vor allem Güterwagen und entwickelte ab 1926 den bekannten Talbot-Schotterwagen mit Selbstentladefunktion. Auch Straßenbahnfahrzeuge und Reisezugwagen wurden in Aachen hergestellt. Als Antwort auf die Weltwirtschaftskrise begann Talbot ab 1934 auch mit dem Bau von Triebwagen. Insgesamt 26 vierachsige Dieseltriebwagen fertigte das Unternehmen zwischen 1934 und 1937 für die DRG, dazu eine ungleich größere Anzahl an vier- und zweiachsigen Beiwagen (1933 bis 1938).
Vorkriegszeit
»Kastenförmige« Einzelstücke von 1934 bis 1936 (1000 mm, 1435 mm)
Parallel dazu begann der Aachener Hersteller auch mit dem Bau seiner ersten Motortriebwagen für andere Eisenbahnverwaltungen. Talbot verkaufte 1934 einen ersten dieselmechanischen Leichttriebwagen für die Kleinbahn Celle-Soltau-Munster (CSM) mit einem Achsstand von 6.200 mm, motorisiert mit einem Deutz-Motor A6M417. Dieser Wagen ist auch heute noch vorhanden. Charakteristisch für diese und die meisten folgenden Triebwagen waren breite Schiebetüren im Einstiegsbereich, Weil keine Klapptüren nach außen aufschlagen mussten, mussten die Wagenenden auch nicht verjüngt werden, wie das bei vielen anderen Herstellern der Fall war. Ein vierachsiger Dieseltriebwagen für die meterspurige Kleinbahn Selters–Hachenburg von 1936 erhielt ebenfalls wieder die Kasten-Optik.
1936 folgte ein weiterer zweiachsiger Triebwagen mit Holzgasgenerator für die Stolper Kreisbahnen in Hinterpommern, nun allerdings mit leicht verjüngten Wagenenden und aufschlagbaren Drehtüren.
»Rundlinge« für das Landesverkehrsamt Brandenburg (1935/1936) und Celle-Wittingen
Für die meterspurige Spreewaldbahn AG bestellte das zuständige Landesverkehrsamt Brandenburg 1934 einen 10,86 m langen zweiachsigen Dieseltriebwagen bei Talbot, der als Besonderheit gewölbte bzw. rundete Stirnfronten besaß und entfernt an den Zeitgeist der »Fliegenden Hamburger«-Triebzüge erinnerte. Er erhielt daher eine werbeträchtige Aufschrift »Fliegender Spreewälder« und wurde durch sein zeitlos elegantes Aussehen auch überregional bekannt.
Nach dem Erfolg des »Fliegender Spreewälders« bestellte das Landesverkehrsamt Brandenburg eine Serie von acht Normalspurtriebwagen mit 5.500 mm Achsstand, die ebenfalls mit gewölbten und sehr gefälligen Fronten einen optisch herausragenden Eindruck boten. Jeweils vier dieser Fahrzeuge gelangten zur Oderbruchbahn und zu den Kleinbahnen der Kreise West- und Ostprignitz. Als Variante dieser Fahrzeuge entstand ein weiterer Wagen für die Kleinbahn Celle–Wittingen mit kleineren Radsätzen, der allerdings lediglich mit Stoßbügeln (ohne Puffer) ausgerüstet war.
Fabriknummer | Betreiber | Fahrzeugnummer | Baujahr | Gattung | Skizzenblatt | Achsfolge | Bauart | ||||||
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10 Fahrzeuge | |||||||||||
78689 | Spreewaldbahn | 501 | 1934 | A1-bm |
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? | CW | SK 2 | 1935 | A1-dm |
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79192 | OWPK | 601 | 1936 | CvT | A1-dm |
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79193 | OWPK | 602 | 1936 | CvT | A1-dm |
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79194 | OWPK | 603 | 1936 | CvT | A1-dm |
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79195 | OWPK | 604 | 1936 | CvT | A1-dm |
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79196 | ObB | 101 | 1935 | CvT | A1-dm |
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79197 | ObB | 102 | 1935 | CvT | A1-dm |
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79198 | ObB | 103 | 1936 | CvT | A1-dm |
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79199 | ObB | 104 | 1936 | CvT | A1-dm |
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Nachkriegszeit
Weitere Triebwagen für deutsche Bahnen konstruierte Talbot erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Ab 1949 baute der Hersteller ein Typenprogramm kleiner Nebenbahntriebwagen sowohl für 750 mm, 1000 mm und 1435 mm Spurweite auf, deren Typenbezeichnungen offenbar von denen der Waggonfabrik Wismar inspiriert wurden. Die Stückzahlen blieben in überschaubarem Rahmen.
Frühe Schmalspurausführung (1000 mm, Typen Eifel und Schleswig)

Talbot fertigte 1949/50 insgesamt sechs vierachsige meterspurige Dieseltriebwagen mit einer Wagenkastenlänge von 13.750 mm für drei verschiedene Bahngesellschaften. Die Wagen besaßen eine kantige, zweifenstrige Stirnpartie mit einer »Bügelfalte« und jeweils sechs großen Einstiegen zwischen den Seitenfenstern. Die Kraftübertragung erfolgte mechanisch über ein Mylius-Getriebe.
Die Eckernförder Kreisbahnen erhielten drei Fahrzeuge, ausgerüstet mit KHD-Motoren A6L 514 mit 81 kW Leistung und als Typ »Schleswig« bezeichnet. Der Wagen 94432 wurde abweichend mit gleich zwei Maschinenanlagen ausgerüstet.
Die Euskirchener Kreisbahnen bezogen zwei Triebwagen mit einem KHD-Motor A6M 517 mit 99 kW Leistung, die Geilenkirchener Kreisbahnen übernahmen einen weiteren Wagen. Diese Fahrzeuge wurden bei Talbot als Typ »Eifel« bezeichnet.
Alle sechs Wagen blieben nur wenige Jahre bei ihren Erstbesitzern und wurden mehrfach weiterverkauft. Alle Fahrzeuge gelangten über mehr oder weniger lange Zeiträume auch bei den Nordsee-Inselbahnen (Langeoog, Juist und Sylt) zum Einsatz. Zwei »Eifel«-Triebwagen und ein »Schleswig« bleiben erhalten, davon sind zwei aktuell betriebsfähig.
Hinweis: Sowohl die Bahnen in Euskirchen als auch in Eckernförde nutzte dieselbe Abkürzung »EKB«, wie man in der nachfolgenden Liste sehen kann.
Fabriknummer | Betreiber | Fahrzeugnummer | Baujahr | Fahrzeugtyp | Achsfolge | Bauart | ||||||
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6 Fahrzeuge | |||||||||||
94429 | EKB | T 1 | 1950 | Eifel | (1A)'(A1)'-dm |
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94430 | EKB | T 3 | 1950 | Schleswig | (1A)'(A1)'-dm |
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94431 | EKB | T 4 | 1950 | Schleswig | (1A)'(A1)'-dm |
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94432 | EKB | T 5 | 1950 | Schleswig | (1A)'(A1)'-dm |
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94433 | EKB | T 2 | 1950 | Eifel | (1A)'(A1)'-dm |
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94434 | GKB | T 101 | 1950 | Eifel | (1A)'(A1)'-dm |
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Frühe Normalspur-Ausführung (Typen Taunus, Aachen, Frankfurt)
1952 baute Talbot auch vier Normalspurfahrzeuge nach einem einheitlichen Baugruppenprinzip im Leichtbau. Alle Fahrzeuge hatten eine kantige, dreifenstrige Stirnpartie. Zwei Exemplare, nämlich der T 1 der Jülicher Kreisbahn und der T 11 der Meppen-Haselünner Eisenbahn, waren zweiachsig ausgeführt und besaßen einen KHD-Motor A8L 614 mit 107 kW Leistung. Während der Meppener Wagen mit einer Wagenkastenlänge von 11,7 Metern fünf Seitenfenster besaß und 53 Sitzplätze bot (Typ »Aachen«), war der Jülicher Wagen (der einzig gebaute »Taunus«) mit 13,2 Metern und sechs Seitenfenstern deutlich länger und bot 74 Sitzplätze. Die beiden Exemplare des Typs Frankfurt waren doppelt motorisierte Drehgestelltriebwagen mit vier Radsätzen und Wagenkastenlängen von 22,7 Metern, die 101 Sitzplätze boten, die die in der Mainmetropole ansässige Deutsche Eisenbahn-Gesellschaft (DEG) für die Teutoburger Wald-Eisenbahn (TWE) und die Kleinbahn Neheim-Hüsten-Sundern bestellt hatte
Spätere Normalspurausführung (Typen Aachen und Niedersachsen)

Ab 1953 baute Talbot einige weitere normalspurige Dieseltriebwagen für verschiedene Kunden, die nun mit abgerundeten Stirnpartien eine andere Formensprache ausdrückten. Besonders elegant wirkten dabei die äußeren gebogenen Frontfenster, die zu den Wagenseiten herumgezogen waren. Gleich fünf Wagen entsprachen dabei dem kurzen Typ »Aachen« mit fünf Seitenfenstern, unter denen sich nun erstmals auch ein Beiwagen befand. Zwei VT wurden an die AG Ruhr-Lippe-Eisenbahnen geliefert, ein VT mitsamt VB an die Meppen-Haselünner Eisenbahn. Der letztgebaute »Aachen« ging an die Hümmlinger Kreisbahn, wo er auch heute noch vorhanden ist. An den Hauptabmessungen und der Motorisierung mit dem KHD-Motor A8L 614 (107 kW) änderte sich gegenüber dem ersten »kantigen Aachen« von 1952 nichts.
1955 entstand mit dem vierachsigen Drehgestelltriebwagen 97213 auch das einzige Exemplar des Talbot-Typs »Niedersachsen«, der an die Bremervörde-Osterholzer Eisenbahn geliefert wurde und bei dem Nachfolgeunternehmen auch heute noch vorhanden ist. Der Wagen hat eine Wagenkastenlänge von 18,0 Metern und bietet 84 Sitzplätze. Er wurde ab Werk mit zwei KHD-Motoren A8L 614 (2x107 kW) bestückt.
Fabriknummer | Betreiber | Fahrzeugnummer | Baujahr | Fahrzeugtyp | Achsfolge | Bauart | ||||||
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6 Fahrzeuge | |||||||||||
95134 | RLE | VT 3 | 1953 | Aachen | A1-dm |
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95135 | HKB | VT 1 | 1956 | Aachen | A1-dm |
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96280 | MHE | VT 12 | 1954 | Aachen | A1-dm |
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96281 | RLE | VT 5 | 1955 | Aachen | A1-dm |
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96943 | MHE | VB 21 | 1954 | Aachen | 2 |
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97213 | BOE | T 164 | 1955 | Niedersachsen | (1A)'(A1)'-dm |
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Spätere Schmalspurausführung (750 mm, 1000 mm)

1954 und 1955 baute Talbot drei weitere vierachsige Schmalspurtriebwagen, die nun parallel zu den neugestalteten Normalspurtriebwagen ebenfalls abgerundeten Stirnpartien erhielten. Der für die 750mm-spurige Kreisbahn Osterode-Kreiensen gebaute Wagen hatte eine Wagenkastenlänge von 15,6 Metern und bot 60 Sitzplätze. Die beiden 1000mm-spurigen Wagen für die Kreis Altenaer Eisenbahn AG waren 15,4 Meter lang und boten 65 Plätze. Beide Modelle besaßen eine doppelte Motorisierung mit dem KHD-Motor A8L 614 (2x107 kW). Eine Typenbezeichnung ist für diese Fahrzeuge nicht überliefert, die beiden Altenaer Wagen werden in der Literatur aber häufig als Typ »Eifel II« bezeichnet. Löttgers benennt die Fahrzeuge auch mit den Bezeichnungen »Osterode« und »Altena«.
Alle drei Fahrzeuge sind auch heute noch erhalten. Der Osteroder Wagen wurde nach einer Umspurung auf 760 mm einige Jahre bei der österreichischen Zillertalbahn eingesetzt. Er befindet sich heute in Privatbesitz und ist unzugänglich hinterstellt. Die beiden Triebwagen für Altena wurden später auf Juist und Langeoog eingesetzt und gelangten 1995 zu den Harzer Schmalspurbahnen. Nach mehrfachen Umbauten können sie auch heute noch in planmäßigem Einsatz erlebt werden.
Ab 1995: Talent & Co.
Nach 1957 entstanden bei Talbot keine weiteren Dieseltriebwagen mehr für deutsche Privatbahnen. Die Waggonfabrik konzentrierte sich auf verschiedene Aufträge, vor allem auch in die Benelux-Länder. Vor allem in die Niederlande wurden in den kommenden Jahrzehnten zahlreiche Triebzüge geliefert.
Erst 1994 entwickelte Talbot mit dem »Talent«-Triebzug einen eigenen neuen Dieseltriebwagen, dem bei verschiedenen deutschen Bahnunternehmen großer Erfolg beschieden sein sollte, darunter auch bei der Deutschen Bahn AG. „Talent“ ist ein Akronym für Talbots leichter Nahverkehrs-Triebwagen. Der zweiteilige Prototyp ist noch ein echter »Talbot« und hat deshalb auf dieser Seite auch noch seine eigene Fahrzeugliste. Die ab 1997 gebauten Serienfahrzeuge entstanden aber bereits unter dem Banner des Bombardier-Mischkonzerns, der die Waggonfabrik im Jahre 1995 übernahm und den Namen »Talbot« kurz darauf schluckte. Bis 2006 wurde der »Talent« in über 300 Exemplaren gefertigt. Der Nachfolger, »Talent 2«, entstand bereits nicht mehr in Aachen, sondern im Bombardier-Werk Hennigsdorf.
Text: © Malte Werning
Quellen und Literatur
- Kochems, Michael: Privatbahntriebwagen in Deutschland von 1990 bis heute. Drehscheibe-Sonderheft 21. Köln 2001.
- Löttgers, Rolf: Die Nachkriegs-Nebenbahntriebwagen von Talbot. In: Lok-Magazin 126 (1984).
- Schad, Andreas: Die meterspurigen Talbot-Dieseltriebwagen der Typen »Eifel« und »Schleswig«. In: Die Museumseisenbahn 4/1982.